Nach der Begrüßung des Festsaals durch die zwei Organisatoren bekamen allen anwesenden Teilnehmer:innen – wie bereits letztes Jahr – einen Selbstevaluierungsbogen zum Thema Glaukom. Hier konnte man das eigene Wissen überprüfen. Die Fragen lauteten beispielsweise: „Wie viel perimetrische Untersuchungen sollten in den ersten zwei Jahren nach Diagnosestellung zumindest durchgeführt werden?“ (A: 2, B: 4, C: 6 oder D: 8) oder „Das oberste Therapieziel bei der Behandlung chronischer Erkrankungen im hohen Lebensalter ist:“ (A: Der Zugewinn qualifizierter Lebenszeit, B: Kosten zu sparen, C: Funktion zu erhalten oder D: Schmerzen zu vermeiden). Im Programmpunkt „Bewährtes, Neues und Zukünftiges“ stellten daraufhin Vertreter:innen der Industrie medizintechnische und medikamentöse Neuerungen aus dem Bereich des Glaukoms vor. Hier wurden etwa neue konservierungsmittelfreie Präparate, neue OP-Sets und Glaukomlaser präsentiert.
Der Januskopf der Langlebigkeit
Den ersten Vortrag der Veranstaltung hielt Univ.-Prof. Dr. Günter Krieglstein aus Köln zum Thema „Der Januskopf der Langlebigkeit“. Die Session moderierte Priv.-Doz. Dr. Markus Lenzhofer. Prof. Krieglstein erzählte in seinem Vortrag vom Januskopf als römisches Zeichen der Dualität (z. B. Licht und Dunkelheit). Auch der medizinische Fortschritt hat, analog zum Januskopf, laut dem Vortragenden nicht nur positive Seiten. Beispielsweise können durch neue Therapien mehr Erkrankungen geheilt werden, aber die dadurch entstehende höhere Lebenserwartung generiert wiederum neue Krankheitsfälle und Leiden. Die Prävalenz der AMD wird im Jahr 2050 beispielsweise auf 169 % des derzeitigen Wertes ansteigen. Vor allem für die Gesundheitssysteme der westlichen Welt wird die Vergreisung der Bevölkerung teuer werden. Zudem gilt es nicht nur, das Leben der Patient:innen zu verlängern, sondern Ärzt:innen sollten insbesondere auf einen Zugewinn von „Qualified life years“ achten. Der Begriff beschreibt die Lebensjahre, in denen Menschen beispielsweise noch Auto fahren oder auch Hobbys beziehungsweise Freizeitaktivitäten nachgehen können. Prof. Kriegelstein erinnerte die Fortbildungsteilnehmer:innen in seinem Referat auch wieder daran, dass etwa 50 % der Beschwerden in der ärztlichen Praxis, über alle Fachrichtungen hinweg, auf einem psychosomatischen Hintergrund beruhen.
Blutfluss: Was gibt es Neues?
Univ.-Prof. DI Dr. Leopold Schmetterer aus Wien referierte in seinem Vortrag zum Thema „Durchblutungsmessgerät- Blutfluss: Was gibt es Neues?“. Hier ging der Vortragende auf neue diagnostische Möglichkeiten in Bezug auf das Glaukom ein. Beispielsweise erklärte Prof. Schmetterer, dass die Laser-Speckle-Flowgraphie in Japan schon längere Zeit beim Augenhochdruck im Einsatz ist. Bei dieser Untersuchungsmethode wird der Blutfluss durch lokale Interferenzen quantifizierbar. Ein Problem der Bildgebung ist jedoch, dass es keine Tiefenauflösung gibt. Die Funktionsanalyse funktioniert laut dem Vortragenden vor allem bei späten Glaukomen gut. In der OCT-Angiographie wird bei schweren Glaukomen eine Abnahme der Kapillardichte sichtbar. Insbesondere der Blutfluss und die O2-Sättigung nimmt bei Patient:innen mit Glaukom in den betroffenen Netzhautbereichen zunehmend ab. Weitere neue diagnostische Methoden sind das Doppler-OCT mit zwei Detektoren oder die Laser-Doppler Holographie aus Frankreich.
Künstliche Intelligenz und Glaukom
Prim. Univ.-Prof. Dr. Herbert Reitsamer aus Salzburg referierte in seinem Vortrag zum Thema „Gibt es Neues betreffend Glaukom + OHT bei KI?“. Hier berichtete der Vortragende, dass die Vorhersage des Augendrucks mittels künstlicher Intelligenz (KI) derzeit noch nicht gut funktioniert. Anders sieht es hingegen bei der Gesichtsfeldentwicklung aus. Insgesamt ist die Vorhersage der Progression eines Glaukoms mittels KI derzeit jedoch noch schwierig. Dies liegt laut Prof. Reitsamer vor allem an der schlechten Qualität der Trainingsdaten. Es braucht daher in Zukunft bessere und auch umfangreichere, ophthalmologische Datenbanken, wobei es auf europäischer Ebene bereits Initiativen in diese Richtung gibt. Prof. Reitsamer sieht den ersten Einsatz von KI in der Praxis vor allem bei der Verfassung von Arztbriefen. Hier ist die Technik schon relativ weit entwickelt.
Stellenwert der Komplementärmedizin beim Glaukom
Assoc. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Garhöfer von der MedUni Wien hielt seinen Vortrag zum Thema „Stellenwert der Alternativ- und Komplementärmedizin beim Glaukom“. Etwa eine von neun Glaukompatient:innen nimmt laut dem Vortragenden, neben der ärztlich verschriebenen Glaukomtherapie, auch komplementärmedizinische Präparate ein. Führend ist in diesem Bereich die Homöopathie. Eine Substanz, die möglicherweise eine positive Wirkung auf den Krankheitsverlauf des Glaukoms hat, ist Vitamin C. Hier gibt es Studien, die über ein leicht erniedrigtes Glaukomrisiko bei einer Einnahme berichten. Die Daten sind derzeit jedoch noch relativ dünn. Citicolin (CDP-Cholin) ist ein Baustein für die Biosynthese von Zellmembran-Phospholipiden und hat möglicherweise einen positiven Einfluss auf das Gesichtsfeld, wobei es auch hier noch wenige Daten gibt. Eine weitere Substanz, die bereits in mehreren internationalen Studien untersucht wird, ist Vitamin B3 (Nicotinamid). Eventuell wirkt Nicotinamid neuroprotektiv und trägt zu einer Erhaltung der normalen Mitochondrienfunktion bei. Die ersten Studienergebnisse bezüglich des B-Vitamins können in den nächsten Jahren erwartet werden.
Weiteres Programm und Vortragende
Das Programm der herbstlichen Fortbildung umfasste neben den oben angeführten Vorträgen und Workshops, diverse Möglichkeiten zum persönlichen Austausch und eine gemütliche abendliche Einheit „Resveratrol in Theorie und Praxis“. Die weiteren Vortragenden der Fortbildung waren aus Deutschland, Österreich, Kanada, Belgien, Frankreich und der Schweiz nach Wien angereist: Vera Blum, Prof.
Dr. Alain Bron, Prof. Dr. Balwantray Chauhan, Univ.-Prof. Dr. Carl Erb, OÄ Dr.in Cornelia Hirn, Univ.-Prof. Dr. Milko Iliev, Dr. Leonard Levin, Dr.in Sabine Markovic-Wanderer, Dr.in Frances Meier-Gibbons, Priv.-Doz. Dr. Georg Mossböck, Prof.in Dr.in Ingeborg Stalmans, Univ.-Prof. Dr. Jörg Stürmer, Dr.in Gordana Sunaric Mégevand und Univ.-Prof. Dr. Clemens Vass.◗