29.07.2024 | Forschung, Katarakt

Eye-Camp: Kataraktchirurgie als Herausforderung

Vor mittlerweile elf Jahren wurde das Austrian Madonna Hospital in Ihitte/Uboma mit Spendengeldern aus Österreich gegründet. Mag. Dr. Emeka Emeakaroha, Pfarrer in Ober-Grafendorf (Diözese St. Pölten), hat dieses Projekt für sein Heimatdorf ins Leben gerufen, um in der abgelegenen, ländlichen Gegend im Südosten Nigerias medizinische Versorgung für die Einwohner:innen möglich zu machen.

Der Verein Sehen ohne Grenzen finanzierte dort bereits 2016 das erste Eye-Camp, um dringend benötigte Katarakt-Operationen zu ermöglichen. Eine ophthalmochirurgische Versorgung ist abseits der Eye-Camps nicht gegeben, da im Spital keine Augenärzt:innen arbeiten. Über einen fix angestellten einheimischen Optometristen ist jedoch zumindest die konservative Versorgung der Augenpatient:innen über das ganze Jahr sichergestellt. Im Jänner 2024 fand nun zum siebenten Mal ein Eye-Camp in Ihitte statt. Was nach so viele Jahren wie Routine klingt, ist doch jedes Jahr wieder eine neue Herausforderung.

Die Anreise

Die Reise nach Port Harcourt verlief problemlos. Beim geplanten Tankstopp in Abuja gab es allerdings eine kleine Verzögerung, da der Flughafen kurzfristig für die Landung eines nicht näher definierten „VIPs“ gesperrt war – in dieser Form auch für die Crew des Flugzeugs ein Novum. Nachdem wir am Zielflughafen in Port Harcourt die Einreiseformalitäten erfolgreich erledigt hatten, gab es noch eine kleine Verzögerung, da der Strom im Flughafengebäude ausfiel. Nach wenigen Minuten war jedoch die Stromversorgung wieder hergestellt und wir konnten mit unseren Koffern das Flughafengebäude verlassen. Wie gewohnt wurden wir außerhalb des Gebäudes sofort von einer Polizeieskorte abgeholt, die uns auch auf der gesamten Reise stets begleitete, um einen sicheren Aufenthalt zu ermöglichen. Um eine Nachtfahrt zu vermeiden – die Straßen in Nigeria sind in schlechtem Zustand und nicht beleuchtet, sodass von Nachtfahrten abgeraten wird – übernachteten wir in einem uns bereits bekannten kleinen Hotel in Port Harcourt. Am nächsten Tag kamen wir nachmittags im Spital an. Auch dieses Jahr wurden wir von wartenden Patient:innen herzlich begrüßt.

Die Operationen

Wir machten uns mit vollem Einsatz daran, unseren Vorbereitungsbereich und den OP-Raum einzurichten, um den OP-Betrieb am nächsten Tag in der Früh wie geplant aufnehmen zu können. Die OP-Mikroskope waren in der Zwischenzeit in Österreich gewartet und erfolgreich wieder zurückgesendet worden. Der Aufbau war problemlos; eine deutliche Verbesserung für die Chirurg:innen war der Austausch der ­starren Okulare auf schwenkbare Tuben an zumindest einem Mikroskop. Für den ­Vorbereitungsraum war ein neues Keratometer angeschafft worden, wodurch die Voruntersuchungen und IOL-Berechnungen schneller durchgeführt werden konnten als in den Jahren zuvor. Einen Moment der Spannung gab es, als sich herausstellte, dass die für unser Team geplanten Autoklaven, welche ebenfalls zwischenzeitlich in Österreich gewartet worden waren, nicht einsatzbereit ­waren. Dieses Problem konnte jedoch mithilfe des Spitalsteams gelöst werden: die Chirurgie-Abteilung stellte uns am nächsten Morgen einen Autoklav zur Verfügung, der in den folgenden vier Tagen im ­Dauereinsatz unseren OP-Betrieb sicherstellte. Um die zwei zur Verfügung stehenden OP-Tische in der vorhandenen Zeit möglichst effizient zu nutzen, waren dieses Jahr drei Chirurg:innen im Einsatz. Durch entsprechende Rotation, verbunden mit intermittierenden Erholungszeiten für die Chirurg:innen, war ein durchgehender ­OP-Betrieb von morgens bis spätabends an beiden Tischen über mehrere ­Tage ­möglich.

Die Patient:innen

Auch dieses Jahr waren die Patient:innen bereits einige Wochen zuvor im Spital untersucht worden und von Dr. Eziaha Emeakaroha, einem Bruder von Pfarrer Emeka, über die bevorstehende Operation aufgeklärt worden. Bewährt hat sich auch dieses Jahr, dass alle Patient:innen bereits einen fixen Operationstag zugeteilt bekommen hatten, sodass eine koordinierte Voruntersuchung und die Operation an einem Tag möglich waren. Tatkräftige Unterstützung bekamen wir wieder von mehreren einheimischen Krankenschwestern, die uns fachlich und als Dolmetscherinnen zur Seite standen. Eine der Krankenschwestern arbeitet mittlerweile in einem anderen Spital, kommt jedoch jedes Jahr für die Woche des Eye-Camps zurück, um zu helfen. Mit der entsprechenden Vorbereitung und mittlerweile auch Routine im Umgang mit kleinen Hindernissen konnten wir in den nächsten vier Tagen insgesamt 120 Kataraktoperationen durchführen – dieses Jahr ohne Stromausfall, da das Spital mittlerweile eine funktionierende Photovoltaikanlage hat und nicht mehr von dieselgetriebenen Generatoren abhängig ist. Wie mittlerweile schon gewohnt haben die Patient:innen beim Eye-Camp deutlich weiter fortgeschrittene Katarakte als typischerweise in Europa, sodass auch dieses Jahr ein erheblicher Anteil der Operationen primär als ECCE durchgeführt wurde. Am Tag nach der Operation erfolgte eine kurze ambulante Visite. Danach konnten die Patient:innen mit Augentropfen und einer genauen Instruktion für die Therapie sowie einer Sonnenbrille (als Licht- und Staubschutz) ausgestattet wieder in ihre teilweise weit entfernten Heimatdörfer zurückreisen. Zeitgleich war auch dieses Jahr wieder ein großes Team an Augenoptiker:innen unter der Leitung von Optikmeisterin Barbara Kainzner vor Ort, um einige tausend Patient:innen mit passenden Brillen auszustatten. Neu war dieses Jahr die Versorgung im Bereich Handchirurgie und Venenbehandlung, welche von den Patient:innen dankbar angenommen wurde.

Weiterentwicklung

Eine besondere Freude für das Spital war es, dass vom Verein Sehen ohne Grenzen ein kombinierter YAG/SLT-Laser angeschafft worden war, der dem Spital dauerhaft zur Verfügung gestellt wird. Der von den Patient:innen respektvoll „Doctor“ Williams bezeichnete Optometrist wurde im Zuge des Eye-Camps am Laser eingeschult und kann nun ganzjährig Kapsulotomien, Iridotomien und selektive Lasertrabekuloplastiken durchführen. Das Behandlungsspektrum für Glaukompatient:innen konnte auf diese Weise erweitert werden. Bereits während des Eye-Camps wurden 19 Kapsulotomien und 12 SLTs durchgeführt.

Menschliches rund ums Camp

Als Highlight abseits der medizinischen Versorgung gab es für einzelne Teammitglieder noch die Möglichkeit jene Familien zu besuchen, deren Kinder sie mit einer Patenschaft finanziell unterstützen. Außerdem hatten wir die Gelegenheit an der Sonntagsmesse teilzunehmen, die in dieser ländlichen Gegend auch eine wesentliche soziale Funktion hat. Bezeichnend dafür war unter anderem die feierliche Grundsteinlegung für einen Versammlungsraum für die Dorffrauen am Ende der Messe. Für uns unerwartet wurde das Camp-Team im Rahmen der Messe der versammelten Gemeinde vorgestellt. Die Dankbarkeit und Freude der Menschen über dieses Hilfsprojekt ist bewegend, und die Wertschätzung, die jedem einzelnen Teammitglied entgegengebracht wird, entschädigt für so manche Strapaze auf der Reise. Das gesamte Team des Eye-Camps ist somit voller Motivation für die kommenden Jahre!

Das Team des 7. Eye Camps umfasste: Univ.-Prof. Dr. Clemens Vass (AKH), Univ-Prof.in Dr.in Claudette Abela-Formanek (AKH), Dr. John Falasinnu (Hanusch-KH), Dr.in Cornelia Hirn (Hanusch-KH), ­Dr. Nikolaus Hommer (Hanusch-KH), DGKP Josi Vass (AKH), DGKP Michaela Haas (KH Hietzing), DGKP Lisa Theuretzbacher (Evang. KH) und Ing. Werner Haas (Instrumentenaufbereitung und technischer ­Support).◗

OÄ Dr.in Cornelia Hirn
Abteilung für Augenkrankheiten mit Augen-Tagesklinik
Hanusch Krankenhaus, Wien
www.hanusch-krankenhaus.at

 

Foto: privat

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