Das Dead-Bag-Syndrom wurde erstmals von Dr. Samuel Masket beschrieben. Es bezeichnet die späte Dislokation einer IOL in einer Kapsel, die nach der Operation klar war, ohne Anzeichen von Kapselfibrose oder proliferativen Veränderungen. Sie war durchsichtig, aber schlaff. Genauer gesagt handelt es sich dabei um den Verlust aller Linsenepithelzellen (LEC) nach einer Kataraktoperation, was dazu führt, dass die IOL nicht in der optischen Achse bleibt. Linsenepithelzellen sind wichtig für die Kapsel, da sie an ihren basalen Enden weiterhin extrazelluläre Matrix und Bestandteile der Linsenkapsel ablagern, was dazu beiträgt, dass die Kapsel im Laufe des Lebens dicker wird und ihre Integrität bewahrt. Andererseits ist die Kapsel auch für die Epithelzellen der Linse wichtig. Sie stellt einen Ankerpunkt für die Basalflächen der Zellen dar und liefert auch die notwendigen Signale für die ordnungsgemäße Vermehrung, Migration und Differenzierung von Linsenzellen. Daher kann beim Dead-Bag-Syndrom ein Problem in den Zellen vorliegen, die degenerieren und die Kapsel somit in Mitleidenschaft ziehen, oder auch ein Problem in der Kapsel selbst, das einen Kreislauf der Schädigung der Zellen mit weiterer Schädigung der Kapsel in Gang setzt. Die IOLs sind auf die verbleibenden LECs angewiesen, um ihre Position im Auge nach der Kataraktoperation zu bewahren. Der Verlust der LECs führt zum Dead-Bag-Syndrom, dessen genaue Ursache noch nicht geklärt ist. Zu den derzeitigen Hypothesen gehört die Degradation und/oder Delamination der Kapsel in den Bereichen der Zellanhaftung, die zu einer Dislokation führt.
Die Studienlage
Die erste Studie zu diesem Syndrom wurde von Culp, Werner et al. im Februar 2022 veröffentlicht. (1) Die Autoren konnten dabei sieben explantierte Intraokularlinsen histopathologisch beurteilen. In den untersuchten Proben waren LECs nur selten oder gar nicht auf der inneren Oberfläche der Kapsel zu finden. Das Hauptmerkmal der Histopathologie war eine Kapselspaltung oder Kapseldelaminierung. Bei den explantierten IOLs handelte es sich entweder um dreiteilige Silikon- oder einteilige hydrophobe Acryl-IOLs. Das Syndrom scheint dabei keine Verbindung zu einem bestimmten IOL-Design oder -Material zu haben. Das Fehlen von LECs in den Kapseln, wirft bei den Chirurgen natürlich die Frage auf, ob eine Kapselpolitur einen Zusammenhang mit diesem Syndrom hat. Bisher konnte jedoch keine klare Assoziation zwischen Polieren und dem Dead Bag Syndrom hergestellt werden. In letzter Zeit wurde auf Poliertechniken zur Verhinderung der Trübung des Kapselsacks, insbesondere in Verbindung mit Premiumlinsen, verstärkt Wert gelegt. Dennoch kann auch eine umfangreiche Politur nicht alle LECs vollständig entfernen. Darüber hinaus wird die Politur normalerweise nicht am Äquator des Kapselsacks durchgeführt, da dieser Bereich schwer einsehbar ist. Masket hat auch Fälle von weißen, intumeszenten Katarakten beobachtet, die sich zum Dead Bag Syndrom entwickelten, was darauf hindeutet, dass ein onkotischer Druck innerhalb des Kapselsacks LECs zerstören kann. Viele Fälle hängen jedoch nicht mit diesem Typ von Katarakt zusammen und es sind wahrscheinlich auch andere Faktoren bei der Entstehung beteiligt. Interessanterweise stellen die Autoren die Hypothese auf, dass das späte postoperative Zonulaversagen bei dem Dead-Bag-Syndrom mit einer Kapselspaltung/Delamination zusammenhängt, welche auf der Ebene der Zonulaansätze auftritt. Dieselbe lamellare Delamination der Linsenkapsel kann man bei einer echten Exfoliation, die durch Hitzeeinwirkung oder durch Infrarotstrahlung in der vorderen Linsenkapsel entsteht, beobachten. Es gibt noch viele unbeantwortete Fragen zur Ätiologie und Erscheinungsbild des Dead-Bag-Syndroms. Weitere Studien werden diese Fragen hoffentlich beantworten. ◗