03.01.2025 | Forschung

GLAUKOM IN AFRIKA: Rasch erkennen und effektiv behandeln

Die hohe Prävalenz des Glaukoms trifft in afrikanischen Ländern auf Gesundheitssysteme, die der Aufgabe noch nicht gewachsen sind. Das Glaukom ist dabei die Hauptursache für irreversible Blindheit. Engagierte afrikanische Ophthalmolog:innen haben dem „Stillen Dieb des Augenlichtes“ jedoch den Kampf angesagt. Sie bilden sich weiter und verbessern mit Unterstützung von Licht für die Welt die augenmedizinische Versorgung.

Häufige Ursache für Erblindung

Das Glaukom ist nach der Katarakt die zweithäufigste Ursache für Erblindung in Afrika. Während Katarakt Operationen das Augenlicht wiederherstellen können, ist die Erblindung im Zuge eines Glaukoms meist irreversibel. Afrika ist der Kontinent mit der höchsten Glaukom Prävalenz: Laut Tham YC et al. leiden 4,8 %, nach Angaben von Kyari et al. etwa 4 % der Bevölkerung an Glaukom, wobei regionale Unterschiede zu erkennen sind (höhere Prävalenz in West- als in Ostafrika). (1,2) Das Glaukom tritt bei 85–95 % der Patient:innen in Afrika als Offenwinkel-Glaukom auf („open-angle glaucoma“). Bei dieser Form gibt es keine Frühwarnzeichen, was das rasche Erkennen erschwert. 90 % der Patient:innen suchen erst medizinische Hilfe auf, wenn sie bereits auf einem Auge erblindet sind. Unser Ziel ist es, Patient:innen so früh wie möglich zu identifizieren, sie richtig zu diagnostizieren und einfache Fälle lokal zu operieren beziehungsweise komplexe Fälle an qualifizierte Augenärzt:innen zu überweisen. Wir stehen derzeit noch vor dem großen Problem, dass es in Afrika zu wenige spezialisierte Fachkräfte gibt. Generell erlernen in Afrika nur sehr wenige Ophthalmolog:innen die richtige Diagnose und Operation unkomplizierter Glaukom-Fälle. Noch seltener sind Spezialist:innen: Zum Beispiel gibt es in Äthiopien nur 5 Glaukom-Spezialist:innen bei einer Bevölkerung von mehr als 123 Millionen. In Mosambik sind es derzeit nur zwei Spezialist:innen bei etwa 33 Millionen Einwohner:innen.

Medikamentöse Behandlung ist schwierig

Die in Österreich übliche medikamentöse Behandlung ist im afrikanischen Kontext schwierig. Die lebenslang notwendigen Tropfen sind in Krankenhausapotheken meist nicht vorrätig. Auch in privaten Apotheken sind sie, wenn verfügbar, als private Leistung für viele Patient:innen oft nicht dauerhaft erschwinglich. Die effektivste Behandlung ist daher die Operation. Viele Menschen auf meinem Heimatkontinent haben jedoch große Zurückhaltung und meiden Operationen so lange wie möglich. Erschwerend ist die fehlende Infrastruktur. Für die verlässliche Diagnose fehlen oft die Geräte, Operationsräume sind oftmals schlecht ausgestattet oder fehlen komplett, ebenso wie das geübte und spezialisierte Personal. Noch viel zu selten werden zudem Katarakt-OPs mit Glaukom Operationen kombiniert. Für viele Patient:innen wäre das Lasern eine annehmbare Behandlung. Laserbehandlungen sind jedoch kaum möglich, weil Geräte und Verbrauchsmaterialien dafür teurer und daher nur selten verfügbar sind. Als Licht für die Welt arbeiten wir mit der öffentlichen Gesundheitsversorgung in Äthiopien, Burkina Faso, Mosambik und Uganda an der Verbesserung der Infrastruktur. Wir bilden Personal aus und ermöglichen Spezialisierungen. Daneben beschaffen wir Schritt für Schritt die nötigen Instrumente. Wir haben schon viel geschafft, aber es gibt noch viel zu tun. Wir sind daher dankbar, dass zahlreiche Privatpersonen, Unternehmen, Stiftungen und auch öffentliche Einrichtungen uns dabei unterstützen.

Fachpersonal ausbilden

Damit Glaukom Patient:innen rasch identifiziert und effektiv behandelt werden können, bilden wir spezialisiertes Personal aus. Einerseits arbeiten wir an einer guten Basisversorgung mit allgemeinen Ophthalmolog:innen – die auch einfache Glaukom Fälle behandeln können – andererseits ermöglichen wir mithilfe von Stipendien Subspezialisierungen auf das Glaukom.

Toolkit for Glaucoma

Bereits im Jahr 2021 ist mit dem „Toolkit for Glaucoma Management in Sub-Saharan Africa“ ein Meilenstein für die Früherkennung und Behandlung von Glaukomen in Afrika gelungen. (3) Es ist das Produkt einer breiten Allianz afrikanischer und internationaler Ophthalmolog:innen, Fachorganisationen wie Licht für die Welt, International Agency for the Prevention of Blindness (IAPB) und der finanziellen Unterstützung der Else Kröner Fresenius Stiftung. Das oberste Ziel des Toolkits ist die Versorgung mit den vorhandenen Mitteln im afrikanischen Kontext zu verbessern. Dazu enthält das Toolkit praktische Schritte zur Diagnose, zum Management, zur Risikobewertung und Informationen über das Fortschreiten des Glaukoms. Das Toolkit wurde, dank der Kooperation mit dem College of Ophthalmologists of East Central and Southern Africa (COECSA), bei Augenärzt:innen in den Regionen Ost-, Zentral- und Süd-Afrika eingeführt.

Simulationslabor in Addis Abeba

Im öffentlichen Krankenhaus Menelik II in Addis Abeba konnten wir ein Simulationslabor für Glaukom- und Katarakt-Operationen errichten. In einer ersten Runde haben zwölf Ophthalmolog:innen, davon zehn aus Äthiopien und zwei aus Mosambik, im Jahr 2023 ein Training für die Operation von Glaukomen erhalten. Dadurch haben 15 Millionen Menschen in den jeweiligen Regionen der Absolvent:innen Zugang zu einer hochwertigen Behandlung. Ziel ist bei Glaukom Operationen die Trabekulektomie mit lösbaren Nähten („trabeculectomy ­with releasable sutures“) durchzuführen. Zusätzlich erhielten die Teilnehmer:innen des Menelik II eine „Train the Trainer“ Ausbildung, damit sie ihr Wissen und ihre ­Fähigkeiten an Kolleg:innen weitergeben können.

Blick nach Maputo

Das Glaukom von Lácea Alfredos Großvater motivierte die heute 41-jährige Mosambikanerin dazu, Augenärztin zu werden. ­
Dr. Lácea Alfredo arbeitet heute in der Hauptstadt Mosambiks am Zentralen Krankenhaus von Maputo. Ihre Glaukom Subspezialisierung hat sie als Stipendiatin von Licht für die Welt 2022 in Indien erfolgreich abgeschlossen. Damit ist sie eine von nur zwei Augenärzt:innen, die in Mosambik auf Glaukom spezialisiert sind. „Jeder Schritt bei dieser Krankheit ist eine Herausforderung: Sowohl die Erkennung als auch die Behandlung“, weiß die Augenärztin. Wegen fehlendem Bewusstsein in der Bevölkerung erscheinen 80 – 90 % der Patient:innen zum ersten Mal im Krankenhaus, wenn das Glaukom bereits fortgeschrittenen ist. Die meisten verlieren ihr Augenlicht. Auch die Hälfte aller jungen Patientient:innen sind bereits auf einem Auge erblindet, wenn sie zum ersten Mal zu Dr. Lácea Alfredo kommen. „Die meisten meiner Patient:innen erblinden, weil sie zu spät kommen und weil wir wegen Materialmangel nicht operieren können“, bedauert sie. Die medikamentöse Behandlung ist in Mosambik nur selten möglich. In den meisten Fällen können sich die Patient:innen die Tropfen nicht leisten. Hinzu kommt, dass viele Menschen mit der punktuellen Behandlung von Krankheiten vertraut sind: Antibiotika werden für einen kurzen Zeitraum eingenommen, bis die Krankheit überwunden ist.

Unterstützung notwendig

Im Jahr 2023 konnte Dr. Lácea Alfredo nur ein Drittel ihrer Patient:innen, die eine Operation benötigen, operieren: „Wir machen derzeit nicht genug Operationen, weil uns das Material fehlt“, berichtet Dr. Alfredo. In einer Liste sammelt sie die Namen der Patient:innen, die eine Operation benötigen. Sie wartet auf den Tag, an dem sie die Betroffenen kontaktieren kann, um einen OP-Termin zu vereinbaren. Solange führen wir Informationskampagnen über den „stillen Dieb des Augenlichtes“ durch.

 

Licht für die Welt ist eine internationale Hilfsorganisation für Augengesundheit und inklusive Entwicklungszusammenarbeit in
Afrika. Wir bauen medizinische Versorgung auf, verwirklichen Bildung für alle Kinder und stärken die Rechte von Menschen mit
Behinderungen in der Gesellschaft, Arbeitswelt sowie Politik.

Gemeinsam mit Partner:innen in Äthiopien, Burkina Faso, Kenia, Mosambik, Südsudan und Uganda treten wir für die Selbstbestimmung aller Menschen ein. Wir sehen die Potentiale von Menschen mit Behinderungen, fordern grundlegende Menschenrechte ein und verändern so die Lebensbedingungen langfristig.

Wir danken für Ihre Unterstützung:
IBAN: AT92 2011 1000 0256 6001

Dr. Geoffrey WABULEMBO
Medizinischer Direktor für Augengesundheit und vernachlässigte Tropische Krankheiten (NTDs)
Licht für die Welt

 

Fotos: Licht für die Welt

Literatur:
1. Tham YC et al., Ophthalmology. 2014 Nov;121(11):2081-90.
2. Kyari F et al., Middle East Afr J Ophthalmol. 2013 Apr-Jun; 20(2):111-25.
3. A Toolkit for Glaucoma Management in Sub-Saharan Africa (2022, September 12). Light for the World International.

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