Gesundheitschecks im Alter
Die EU schlägt vor, dass Senior:innen ab 70 Jahren alle fünf Jahre ihre Fahrtauglichkeit – und damit auch ihr Sehvermögen – überprüfen lassen müssen. In vielen Mitgliedsstaaten gibt es diesbezüglich bereits Vorgaben für verpflichtende Gesundheitschecks, in Deutschland bislang jedoch noch nicht. Die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) schreibt lediglich einen Sehtest im Zusammenhang mit der Führerscheinprüfung vor. „Es liegt danach in der Selbstverantwortung eines jeden Verkehrsteilnehmenden, eine augenärztliche Beratung in Anspruch zu nehmen und erforderlichenfalls die Überprüfung der Fahrtauglichkeit im Rahmen einer medizinischen Begutachtung zu beauftragen“, betont Prof. Tost von der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde an der Universitätsmedizin Greifswald.
Selbsteinschätzung der Fahrtauglichkeit
Mit der Selbsteinschätzung ihrer Sehfähigkeit hat ein Teil der Autofahrer:innen grobe Probleme. Dies zeigt eine Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) mit 377 Personen: Während bei der Befragung 99,2 % ihre Sehfähigkeit selbst als eher gut bis sehr gut einschätzten, fielen 16,4 % beim Sehtest mit einer tatsächlichen Sehschärfe von unter 0,7 durch. „Sie dürften so gar nicht mehr ohne weiteres am Steuer sitzen“, erklärt Prof. Tost. Auch bei einem Pilotprojekt der Polizei in Niedersachsen, das unter augenärztlicher Beratung der Medizinischen Hochschule Hannover durchgeführt wurde, musste bei mehreren Verkehrsteilnehmenden eine ärztliche Überprüfung der Fahrtauglichkeit veranlasst werden oder sogar einzelnen Fahrzeugführenden die Weiterfahrt untersagt werden. Aus Sicht des DOG-Experten ist es deshalb wichtig, Warnsignale häufiger Augenerkrankungen zu erkennen und einen augenärztlichen Beratungstermin zu vereinbaren. „Ein typisches Anzeichen etwa für den Grauen Star sind Störungen des Dämmerungssehens und erhöhte Blendempfindlichkeit“, erläutert Prof. Tost. „Betroffene fühlen sich bei Nachtfahrten zunehmend unsicher, sie fahren langsamer, sind schnell geblendet durch entgegenkommende Fahrzeuge oder bremsen zu spät, weil sie Stoppschilder nicht erkennen.“
Regelmäßige Augenkontrollen
Gleichfalls steigt mit dem Alter auch das Risiko für ein Glaukom, das rund 8 % der über 75-Jährigen betrifft. Die Augenerkrankung ist tückisch: Verkehrszeichen, andere Fahrzeuge, Fußgänger und Radfahrende verschwinden komplett aus dem Blickfeld – und tauchen plötzlich wie aus dem Nichts wieder auf. „Das Risiko von Unfällen mit lebensgefährlichem Ausgang steigt beim Glaukom immens an“, bemerkt Prof. Tost. „Deshalb raten wir zu regelmäßigen augenärztlichen Untersuchungen mindestens ab dem 60. Lebensjahr.“ Die Angst, gleich den Führerschein zu verlieren, ist dabei häufig unbegründet. Denn in vielen Fällen lässt sich mit Sehhilfen, einer Operation oder Verhaltensweisen Abhilfe schaffen. „Beim Grauen Star etwa kann das die Empfehlung sein, auf Nachtfahrten nach Sonnenuntergang zu verzichten oder sich einem Linsentausch zu unterziehen“, erklärt Prof. Tost. In Grenzfällen raten die Augenärzt:innen zu einer Tauglichkeitsprüfung, deren Kosten in Höhe von 80 bis 100 Euro privat übernommen werden müssen. „In jedem Fall sollten Betroffene es ansprechen, wenn sich am Fahrverhalten etwas verändert hat“, rät Prof. Tost. Klare Vorgaben existieren derzeit in Deutschland nach dem Verlust des Sehvermögens auf einem Auge oder bei neu aufgetretenen Doppelbildern etwa in Folge eines Schlaganfalls, Bluthochdrucks oder bei Schilddrüsenerkrankungen.◗